Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Liebe zur Kirche
In einer Zeit, in der die Kirche eher kritisch gesehen wird, überrascht die Aufforderung, sie zu lieben. Die angeführten Autoren und Autorinnen begründen diese Forderung:
In seinem Fastenhirtenbrief von 1860 wirbt Charles-Joseph-Eugène de Mazenod († 1861)
um die Liebe zu Christus und zur Kirche:
"Alles muss gewagt werden, das Reich des Erlösers auszubreiten, das Reich der Hölle zu zerstören, zahllose Frevel zu verhindern, der Tugend Achtung und Geltung zu verschaffen, die Menschen wieder zur Vernunft zu bringen, sie zu echten Christen zu formen und auf den Weg der Heiligkeit zu führen.
Wer zu uns gehören will, muss brennen vom Verlangen, heilig zu werden; er muss entflammt sein von der Liebe zu Christus und seiner Kirche; er muss sich verzehren im Eifer für das Heil der Menschen. Christus lieben bedeutet die Kirche lieben. Wie ist es möglich, unsere Liebe zu Jesus Christus von der Liebe, die wir der Kirche schulden, zu trennen?
Jesus Christus hat in sich auf mystische Weise die Menschenkinder vereinigt, um mit ihnen eins zu sein. Er lässt jedoch die Persönlichkeit eines jeden, der sich ihm anschließen will, bestehen. So wie in Jesus Christus nur eine einzige Person existiert, so müssen alle Christen mit ihm einen einzigen Leib bilden. Er ist das Haupt und alle anderen die Glieder.
Die Kirche ist der Preis des Blutes Jesu Christi und Gegenstand seiner unendlichen Liebe für die Menschen. Er hat die Kirche mehr als sein eigenes Leben geliebt. Seinetwegen ist sie Gott Vater wertvoll. Er hat sie schon von Ewigkeit an so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hingegeben hat: ‚Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab‛ (Joh 3,16).
Auch der Heilige Geist, den uns der göttliche Heiland verheißen hat, hat sich mit ihr vereint, um sich nie wieder von ihr zu trennen, um wie ihre Seele zu sein, um sie zu inspirieren, zu erleuchten, zu lenken, zu unterstützen und in ihr die großen Taten Gottes zu erfüllen (Apostelgeschichte 2,11).
All diejenigen, die Glieder der Kirche sind, leben im geistigen Hause Gottes, oder besser gesagt, sie sind selbst dieses Haus, ein mächtiger Tempel, in dem das ganze Universum eintreten muss und in dem alle Steine lebendig sind … Gott selbst hat dieses Haus mit göttlichem Zement erbaut.
Nun fragen wir euch liebe Brüder: Die Braut Jesu Christi, die er uns als Mutter gegeben hat, die Familie des Gott-Menschen, sein lebendiges Haus, seinen heiligen Tempel, seine irdische Stadt, Ebenbild der himmlischen Stadt, sein Reich, seine Herde, die Gemeinschaft, die er gegründet hat, in einem Wort, das Werk, das Gegenstand all seines Wirkens war und das Gegenstand seines ganzen Wohlgefallens hier unten ist, nicht mit einer kindlichen Liebe zu lieben, bedeutet das nicht, ihn selbst nicht lieben zu wollen? Heißt das nicht, die Pläne seiner Barmherzigkeit, die Rechte seiner Liebe und seiner Macht zu verkennen? Heißt das nicht, ihn selbst als Heiland zu verkennen, als Erlöser der Menschen, als Sieger über die Hölle und den Tod und als den höchsten Herren, dem alle Völker der Erde zum Erbe gegeben worden sind? (Ps 2, 8)."[zum Text: vgl. Kathpedia - Eugen von Mazenod]
Schon vor ihrer Konversion zur katholischen Kirche (1924) erschienen die Hymnen von Gertrud von le Fort († 1971) an die Kirche:
"Heiligkeit der Kirche
Deine Stimme spricht:
Ich habe noch Blumen aus der Wildnis im Arme, ich habe noch Tau in meinen Haaren aus Tälern der Menschenfrühe,
Ich habe noch Gebete, denen die Flur lauscht, ich weiß noch, wie man die Gewitter fromm macht und das Wasser segnet.
Ich trage noch im Schoße die Geheimnisse der Wüste, ich trage noch auf meinem Haupt das edle Gespinst grauer Denker,
Denn ich bin Mutter aller Kinder dieser Erde: Was schmähest du mich, Welt, dass ich groß sein darf wie mein himmlischer Vater?
Siehe, in mir knien Völker, die lange dahin sind, und aus meiner Seele leuchten nach dem Ew'gen viele Heiden!
Ich war heimlich in den Tempeln ihrer Götter, ich war dunkel in den Sprüchen aller ihrer Weisen.
Ich war auf den Türmen ihrer Sternsucher, ich war bei den einsamen Frauen, auf die der Geist fiel.
Ich war die Sehnsucht aller Zeiten, ich war das Licht aller Zeiten, ich bin die Fülle der Zeiten.
Ich bin ihr großes Zusammen, ich bin ihr ewiges Einig.
Ich bin die Straße aller ihrer Straßen: Auf mir ziehen die Jahrtausende zu Gott!
II
Du bist wie ein Fels, der gegen die Ewigkeit abstürzt, aber das Geschlecht meiner Tage ist wie Sand, der ins Nichts fällt!
Es ist wie Staub, der um sich selbst wirbelt.
Es hat sein Blut zum Gesetz des Geistes erhoben und seines Volkes Namen zum Gott.
Darum liegst du wie Reif auf den Wäldern seiner Träume und wie Schnee auf den hohen Tannen seines Stolzes,
Denn du lässt dich nicht ins Joch der Menschen beugen und leihst deine Stimme nicht ihrer Vergängnis.
Du wirfst die Nationen vor dir nieder, dass du sie errettest, Du heißt sie vor dir aufstehen, damit sie ihr Heil wirken!
Siehe, ihre Grenzen sind wie Mauern aus Schatten vor deinem Antlitz, und das Brausen ihres Hasses ist wie ein Gelächter,
Ihre Waffen sind wie ein Klirren aus Glas, und ihre Siege sind wie Lichter in kleinen Kammern!
Aber dein Sieg reicht vom Morgen bis zum Abend, und deine Flügel wachsen über alle Meere,
Dein Arm umfängt Mohren und weiße Leute, und dein Odem weht über alle Geschlechter,
Deiner Stunde schlägt keine Stunde, und deine Grenzen sind ohne Grenzen, denn du trägst im Schoße das Erbarmen des Herrn!
III
Du hast einen Mantel aus Purpurfäden, die sind nicht auf Erden gesponnen.
Deine Stirn ist mit einem Schleier geschmückt, den haben dir unsre Engel geweint:
Denn du trägst Liebe um alle, die dir gram sind, du trägst große Liebe um die, welche dich hassen.
Deine Ruhe ist immer auf Dornen, weil du ihrer Seelen gedenkst.
Du hast tausend Wunden, daraus strömt dein Erbarmen; du segnest alle deine Feinde.
Du segnest noch, die es nicht mehr wissen.
Die Barmherzigkeit der Welt ist deine entlaufene Tochter, und alles Recht der Menschen hat von dir empfangen.
Alle Weisheit der Menschen hat von dir gelernt.
Du bist die verborgene Schrift unter all ihren Zeichen. Du bist der verborgene Strom in der Tiefe ihrer Wasser.
Du bist die heimliche Kraft ihres Dauerns.
Die Irrenden gehen nicht unter, weil du noch den Weg weißt, und die Sünder werden verschont, weil du noch betest.
Dein Gericht ist die letzte Gnade über den Verstockten.
Wenn du einen Tag verstummtest, so würden sie auslöschen, und wenn du eine Nacht schliefest, so wären sie dahin!
Denn um deinetwillen lassen die Himmel den Erdball nicht fallen: Alle, die dich lästern, leben nur von dir!"
[Quellen geistlichen Lebens, Bd. 4, hrsg. v. Gisbert Greshake u. Josef Wismayer. Matthias Gründwald Verlag, Ostfildern 2008, S. 33-35]
Roger Schutz († 2005): "Christus lieben und die Kirche lieben: Das ist eins."
Chiara Lubich († 2008) nennt als Grund der Liebe zur Kirche deren die Schönheit:
"Die Schönheit einer Kirche liegt nicht so sehr in ihrer Architektur. sondern darin, dass sie Gott beherbergt."
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 06.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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